Wacken Open Air 2015
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DAS Metal-Festival Nr.1, die 26. Auflage!

Wacken 2015, was für eine Schlammschlacht! Als wir am Mittwoch auf dem Gelände ankommen, zeigt sich das Ausmaß der sturzbachartigen Regenfälle der letzten Tage. Die Campgrounds sind teilweise unbefahrbar. Traktoren schleppen hoffnungslos festgefahrene Autos durch die Moorlandschaft und LKW versuchen mit Sägespänen, die Hauptwege trocken zu legen. Na, da kann ja heiter werden ... 

Mittwoch

Zumindest scheint am Mittag die Sonne und wir schöpfen ein wenig Hoffnung, dass wir am Abend auf das Gelände können, um NEW MODEL ARMY und EUROPE zu sehen. Doch Petrus hat keine Gnade und öffnet am späten Nachmittag alle Himmelstore. Es regnet geschlagene 20 Stunden durch. Zelte und Pavillons brechen unter heftigen Sturmböen zusammen. Schweren Herzens entscheiden wir uns gegen den Ausflug zum Bullhead Zelt.

Donnerstag

Auch am nächsten Morgen ist keine Besserung in Sicht. Wir erfahren, dass die Organisatoren keine PKW mehr aufs Gelände lassen und dass viele Fans nur noch mit Shuttlebussen anreisen können. Insofern hatten wir noch Glück im Unglück. Am Mittag endlich Besserung. Von Sonne kann zwar keine Rede sein, aber zumindest hört es endlich auf zu regnen.

Mit Gummistiefeln und Regenjacken bewaffnet machen wir uns auf den beschwerlichen Weg zum Infield. Die Wege auf den Campgrounds stehen völlig unter Wasser und der klebrige Matsch droht bei jedem Schritt, das Schuhwerk zu verschlingen und nie wieder frei zu geben.

Nach fast einer Stunde haben wir es geschafft und stellen fest, dass das Wetter auch Vorteile hat. Seit Jahren war das Infield nicht mehr so leer wie heute. Selbst bei ROB ZOMBIE kann man ohne größere Probleme das vordere Drittel des Infields erreichen. Wer von euch die letzten Jahre beim WOA war, der weiß, dass das sonst eher schwierig ist.
Die Show beginnt zunächst etwas sperrig, aber irgendwie springt der Funke zwischen Musiker und Publikum dann über. Rob Zombie wirkt motiviert, der Sound weiß zu überzeugen und auch die Bühnendeko mit großer Leinwand und Frankensteinköpfen sieht vielversprechend aus. Hits wie ‘Teenage Nosferatu Pussy’, ‘Living Dead Girl’ oder ‘Thunder Kiss 65’ sind nicht ohne Grund ein großer Einfluss auf viele andere Künstler gewesen. Die letzten drei Songs des Sets sind Coverversionen, die zum Feiern einladen: “Blitzkrieg Bop” von den RAMONES, “Enter Sandman” von METALLICA und ein Mixup von “Thunder Kiss” und “School's Out”. Der Altmeister kann, will und liefert.

Zu späterer Stunde folgt dann das technische Highlight, von dem bereits im Vorfeld schon viel zu lesen war: Die Zusammenkunft von SAVATAGE und dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. In vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer Auftritt. Beide Bands spielen 2015 nirgendwo anders in Europa. Im Falle von SAVATAGE findet sogar eine Reunion statt. Seit über zehn Jahren gab es keine Live-Show der Powermetaller mehr.
Im Anschluss rockt das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA die True Metal Stage. Das wirklich Besondere an diesem Gig folgt aber erst danach, denn nun spielen beide Bands gleichzeitig auf beiden Bühnen. Eine technische Sensation. Insgesamt reden wir hier immerhin von 125 Bühnenmetern, bei denen alles aufeinander abgestimmt sein muss. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich persönlich mit der Musik beider Gruppen nichts anfangen kann, aber ich habe viele Stimmen gehört, die absolut begeistert waren und von Gänsehautmomenten sprachen. Auf jeden Fall ein beeindruckendes Bild.

UPS

Rob Zombie: Hits wie ‘Teenage Nosferatu Pussy’, ‘Living Dead Girl’ oder ‘Thunder Kiss 65’ sind nicht ohne Grund ein großer Einfluss auf viele andere Künstler gewesen. Der Altmeister kann, will und liefert.

Combichrist: Der norwegische Aggro-Abriss der EBM/Industrial-Metaller Combichrist überzeugt auch in Wacken. Hits wie ‘What The Fuck Is Wrong With You’ werden im ansehnlich gefüllten Bullhead City-Zelt ordentlich abgefeiert. So muss das sein!

Stimmung: Angesichts von 30l pro Quadratmetern und drei Tagen Dauerregen wären andere Festivals wohl aber schon abgesagt worden. Hier macht man das Beste draus – Schlammbad und Regen-Moshpit inklusive. Rain or shine!

Savatage mit TSO: John Oliva ist am Start und Bühnenbild und Band passen perfekt zusammen. Zudem war die Show über beide Bühnen hinweg einfach nur spektakulär. Ebenfalls stark: Die Kombination mit  TSO – wenn dise nicht gerade ein Klassik-Cover spielen.

DOWNS

Schlamm: Die mal eher dünnflüssige, mal eher dickflüssige Brühe ist wirklich überall und macht jede Infield-Querung zu einem Ausflug ins Ungewisse. Das nervt und drückt die Stimmung, da viele Metalheads nach drei Tagen Matsch einfach zermürbt sind. Außerdem ist alles dreckig. Wirklich. Alles.

Das Orchester bei U.D.O.: Mehr Metal ist besser. Viele Songs wirkten mit dem Marine-Musikkorps einfach viel weniger druckvoll. Immerhin: einige Accept-Klassiker retteten die Show!


Freitag

Heute steht viel auf dem Programm. Den Anfang machen die Brasilianer von SEPULTURA. 30 Jahre Bühnenerfahrung hat die Band bereits auf dem Buckel, auch wenn von den Gründungsmitgliedern nur noch Bassist Paulo Xisto Pinto Jr. an Bord ist.
Wie zu erwarten war, geht das Publikum voll mit und auch die Sonne lässt sich hinter der Wolkendecke blicken, um den exotischen Drumparts bei “Roots Bloody Roots” noch mehr Power zu verleihen. Doch dann ist der Gig auch schon vorbei und erste Enttäuschung macht sich breit. Wo waren denn “Territory” und “Ratamahatta”?

Zeit ist jetzt auf jeden Fall für den musikalischen Würgegriff von KVELERTAK. Die norwegische Metal-Band aus Stavanger nutzt ausschließlich Lyrics in ihrer Muttersprache und konnte trotzdem oder gerade deshalb internationale Erfolge feiern. Sänger Erlend Hjelvik ist heute extrem gut drauf und steht keine Minute still. Bei “Blodtørst” verlässt er die Bühne und lässt sich wortwörtlich auf Händen tragen. Die Fans freut es sichtlich.

Ohne Pause geht es auf der Black Stage weiter. Bei AT THE GATES ist der Sound ist glasklar und Tomas Lindbergs kräftige Stimme beherrscht das gesamte Infield und spätestens bei “Suicide Nation” tobt der gesamte Mob.

Im Pressezelt wartet heute ein interessantes Programm. Die Hamburger Stoner Rocker HIGH FIGHTER präsentieren den Kollegen ihre neue EP. Und obwohl die Band noch weitestgehend unbekannt ist, müssen Sängerin Mona und ihre Mannen sich nicht hinter den Großen hier verstecken. Das geht gut nach vorne. Einfach mal anhören.

Wir bleiben noch ein bisschen, denn direkt im Anschluss stellen THE BOSS HOSS ihr neues Album vor und ihr Bier. Ja richtig, die Jungs haben eine eigene Biermarke. Eine Tatsache, die mich persönlich mehr beeindruckt, als Album- und Videopremiere.

Plötzlich taucht ein wohlbekanntes Gesicht hinter mir auf: Mikkey Dee, seines Zeichens Schlagzeuger bei MOTÖRHEAD. Ich bin kurz verwundert, denn die Briten stehen nicht im Line-Up. Doch Mikkey Dee ist heute nicht als Musiker hier, sondern als Vertreter von MOTÖRHEAD MUSIC. Das eigene Plattenlabel der Band besteht seit 2010 und unterstützt Newcomer bei ihrem Weg ins Rampenlicht.

Passenderweise ist der erste Song von BLACK LABEL SOCIETY “The beginning... at last”. ZAKK spielt sich die Finger wund und dominiert von Anfang an die Bühne. Ein Podest verleiht dem Hühnen zusätzliche Größe. Trotz relativ schlichtem Bühnenbild bleibt der Auftritt angenehm abwechslungsreich. Nach einigen Songs setzt er zu einem fulminanten Solo an. Der Mann weiß was er tut, keine Frage, aber zehn Minuten ist dann doch ein wenig zu lang. Trotzdem: Hut ab!

Die nächste musikalische Bespaßung hört auf den Namen IN FLAMES und gibt sich auf der Black Stage die Ehre. Erneut sei hier dem Wetter trotz aller Beschwerden ein kleiner Dank ausgesprochen.
Im Nachhinein betrachtet war das aber kein großer Gewinn. Denn neben der etwas irritierenden Kleiderwahl von Anders Fridén, der in seiner lenorweißen Klamotte inklusive farblich passendem Cap und Hipsterbart aussieht wie eine Mischung aus Tennislehrer und Mc Fitty, scheinen die Schweden auch schlicht und ergreifend keinen Bock zu haben. Die Ansagen sind unmotiviert, das Bühnenbild quasi nicht existent, die Setlist wirkt abgespult. Kurzum: Zwischen diesem Auftritt und der unfassbar geilen Performance von 2012 liegen nicht nur Jahre, sondern Welten. Das war leider nix.

Dafür wartet im Zelt um kurz nach Mitternacht unsere Überraschung des Festivals: ILL NINO. Wir sind überrascht, mit welcher Energie und Dynamik die Herren ans Werk gehen. Sie schaffen es, direkt das Publikum für sich einzunehmen und verbreiten schlagartig gute Laune. Vielen Dank für diesen grandiosen Ausklang.

UPS

Black Label Society: Was für ein Auftritt von Zakk Wylde und seinen Mannen! Die bärtigen Kutten-Rocker sind schon optisch eine absolute Erscheinung, aber der finster-drückende Rock ’n‘ Roll des ehemaligen Ozzy Osbourne-Gitarristen passt einfach nach Wacken – natürlich inklusive überlanger Gitarren-Soli und einer Dimebag-Darrel-Huldigung.

Running Wild: Rock ’n‘ Rolf und seine Piratencrew legen als später Headliner am Freitag ein sehr ordentliches Best-Of-Set auf die Bretter. Die Band präsentiert sich spielfreudig und erheblich fitter als bei dem letzten Auftritt in Wacken bei ihrer Farewell-Show 2009. Eine schöne Rückkehr!

Ill Nino: Sehr spät, nur im Zelt – aber Nu Metal lebt! Ill Nino liefern nach Mitternacht vor einem picke-packe vollen Bullhead City Circus eine grandiose Best-Of-Show ab, bei der alte und neue Hits sich die Klinke in die Hand geben. Ein Fest!

Das Wetter: Eine positive Erwähnung des Wetters 2015 in Wacken! Es hört auf zu regnen und mit dem langsamen Trocknen von Kleidung und Boden kehren Sonne und Leben auf das heilige Wacken-Land zurück. So kann es am Samstag weitergehen!

DOWNS

Wenig Bewegung vor den Bühnen Eine Folge des allgegenwärtigen Schlamm-Massakers: vor den Bühnen herrscht am Freitag viel zu wenig Bewegung. Obwohl die generelle Stimmung trotz der Regentage immer noch überzeugt, steht man eben bis zu den Knöcheln im Matsch.

Soundüberschneidungen von Party und Black-Stage Ein alljährliches Problem: Die Ausrichtung der Hauptbühnen und der Partystage führen zu unangenehmen Soundüberschneidungen, wenn Black- und Party Stage gleichzeitig bespielt werden.

Sound in der Bullhead City Sound auf Zeltbühnen ist immer ein Problem. In der Bullhead City schwankt die Qualität zwischen ordentlich (Combichrist) bis zwischenzeitlich unerträglich (Ill Nino). Schade!


Samstag

POWERWOLF, die selbsternannten Werwölfe aus Armenien, spielen zur Mittagszeit. Und die Techniker scheinen aufgrund der frühen Stunde noch ein wenig müde zu sein. Der Opener “Sanctified With Dynamite" weist auf jeden Fall einige Klangelemente auf, die so nicht auf dem Album zu finden sind. Aber sei's drum. Das Publikum ist heute gut gelaunt, denn die Sommersonne gibt sich redlich Mühe, die Erinnerungen an die kalte Nacht zu vertreiben. Das Bier tut sein Übriges.
Nachdem alle technischen Probleme behoben wurden, sind die Werwölfe – die eigentlich aus Saarbrücken kommen – bester Dinge und zetteln zu “We Drink Your Blood” einen Circlepit an. Normalerweise nicht weiter außergewöhnlich, aber Attila Dorn möchte das Ganze gerne rückwärts haben und seinem Wunsch wird entsprochen.

Nach POWERWOLF müssen wir uns zwischen AMORPHIS und SKINDRED entscheiden. Da ich den Herrn mit dem zu großen Mikrofon vorm Gesicht und den unfassbar langen Dreads aber schon einige Male gesehen habe, gewinnen SKINDRED den Zweikampf. Eine gute Entscheidung, denn die eigenwillige Mischung aus Reggea, Hip-Hop und Metalelementen macht richtig Spaß.

Fronter Benji Webbe erscheint mit einer Art Cyclops Brille und knallrotem Jacket und sein Gitarrist hätte das Bartpotenzial, bei ZZ TOP einzusteigen. Optisch also direkt ein Highlight. Und auch der erste Song ist ein Highlight und gleichzeitig Namensgeber des aktuellen Albums der Waliser “Kill the Power”. Die Herren kommen beim Publikum gut an. Bei “Jump Around” springen alle pflichtbewusst im Takt durch den Matsch. Ein weiterer Höhepunkt des Sets ist das groovende “Ninja”. Sehr schöner Auftritt.

So auch bei BIOHAZARD, die für mich die Überraschung des Tages darstellen. Die vier Herren, die seit 2008 wieder auf der Bühne stehen und sich ursprünglich 1987 New York gründeten, waren insbesondere in den 90ern wahre Helden und haben große Konzerthallen gefüllt. Heute hingegen spielen sie nur auf der kleinen Party Stage. Aber was sie machen, überzeugt voll und ganz.
Insbesondere Billy Graziadei und Scott Roberts sprühen geradezu vor Energie und stehen keine Minute still. Bei “How it is”, “Tales from the hard Site” und “Punishment” schlagen Fanherzen höher.

Für den nächsten Auftritt müssen wir uns nicht mal bewegen. Gewohnt schnell und aggressiv machen sich CANNIBAL CORPSE ans Werk. Titel wie “Stripped, Raped and Strangled“, „Icepick Lobotomy“, „I Cum Blood“ und „Fucked With a Knife“ donnern aus den Boxen und schütteln den Fans den getrockneten Schlamm aus den Klamotten.

Den traditionellen Abschluss (alle zwei Jahre) bestreiten dann die Mittelalter-Rocker von SUBWAY TO SALLY.

UPS

Sonne Die Sonne lacht - Der Regen ist endgültig Geschichte und statt Regenjacke ist jetzt Sonnencreme angesagt. Super Wetter sorgt für super Stimmung – und am Nachmittag ist das Infield sogar wieder halbwegs begehbar. Top!

Danko Jones sind nicht unbedingt die härteste Metal-Band, der straight gespielte, druckvolle Rock ’n‘ Roll der Kanadier, gepaart mit dem unnachahmlichen Charme von Sänger und Gitarrist Danko Jones selbst, machen aber einfach richtig Spaß – und passen perfekt zur nachmittäglichen Hitze auf dem Infield!

Dee Snider bei Rock Meets Classic Ein weiteres Highlight des Nachmittages: Der Auftritt von Twisted Sister-Legende Dee Snider bei Rock Meets Classic. Die Entertainer-Qualitäten des Sängers sind einfach ungeschlagen. Wirklich gelungen!

Sabaton Die Headliner-Show der Power-Schweden gehört natürlich zu einem der Hightlights des Festivals, denn nicht umsonst sind die Live-Qualitäten des Power Metal-Panzerbattaillons fast schon sagenumwoben. Und wer kann schon damit angeben gleich zwei Panzer auf der Wacken-Hauptbühne präsentiert zu haben. 

Judas Priest Was für eine Show! Altmeister Rob Halford und seine Mannen präsentieren sich in perfekter Form für das zweistündige Metal-Hitfeuerwerk, das Judas Priest am Samstag-Abend abfeuern. Ein glasklarer Sound, ein stimmgewaltiger Rob Halford und eine gigantische Bühnenshow. 1a!

Cradle Of Filth Dani voll bei Stimme, eine tolle Lichtshow und viele alte Hits – Cradle sind zurück und beweisen auch in Wacken, dass sie es 2015 nochmal wissen wollen. Ein runder Abschluss auf der Black-Stage!

DOWNS

Soundprobleme bei Sabaton Die Sabaton-Show begann leider mit Soundproblemen und einer insgesamt viel zu leisen Abmischung – immerhin: Nach drei Songs wurde es besser!

Ein Jahr bis zum nächsten Wacken Wacken ist vorbei – das bedeutet wieder ein Jahr warten. Wir sind auf die Headliner 2016 gespannt – und freuen uns auf die 27. Ausgabe des größten Metal-Festivals der Welt!

Abschließend muss man sagen, dass die Besucher es mit Humor nahmen. Allerdings brachen einige Metalheads ihre Anreise vorzeitig ab, als sie die Notstandsmeldungen der Organisatoren lasen, andere verließen das Gelände vorzeitig. Und auch diejenigen, die vor Ort waren, überlegten sich zwei Mal, ob sie den anstrengenden Marsch zum Infield auf sich nehmen sollten.

See you in 2016. Rain or Shine!

Wir danken: Holger, Thomas und dem W:O:A-Team sowie allen, die unsere Arbeit vor, während und nach dem Festival unterstützt haben (you know who you are...)